Anmerkungen zu der Wahlwerbung der Bündnis 90 / Grünen Nidderau

 

Die Bündnis 90 / Grünen Nidderau haben einen Flyer „Chancen für Menschen und Natur in der Nidderaue!“ an alle Nidderauer Haushalte verteilen lassen, in dem sie ausschließlich über den Bürgerentscheid am 02.07.2023 und über die abzustimmenden Teilprojekte informieren. Die Teilprojekte wurden in der Stadtverordnetenversammlung vom 01.12.2023 (TOP 18) beschlossen. In der öffentliche Niederschrift zu der Sitzung findet sich TOP 18 auf den Seiten 16 bis 19. Die einzelnen Punkte des Beschlusses geben wir hier wieder:

 

„Der Beschluss:
Die Stadtverordnetenversammlung beschließt die Umsetzung des Konzeptes zur Aufwertung und Beruhigung der Nidderaue im Bereich des Flurbereinigungsverfahrens Nidderau UferrandstreifenVF 2531 mit den erforderlichen Investitionen. Die Abstimmung wird wie folgt unterteilt:

  1. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie gemäß dem Konzept einschließlich der Renaturierung der Altarme
  2. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt die Verbreiterung des vorhandenen Geh- und Radweges zwischen Mühlstraße und Alloheim.

3.   Die Stadtverordnetenversammlung beschließt den Ausbau des Weges ab Alloheim über die Brücke bis zum asphaltierten Weg Richtung Bahnhofstraße               mit hellem Asphalt (wie in Grünachse).

  1. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt den Ausbau der verbliebenen Wegabschnitte auf der Bahnhofseite nach Heldenbergen mit hellem Asphalt.
  1. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt zur Förderung des ÖPNV und der Nahmobilität den Bau einer Brücke über die Aue zur Erschließung des Bahnhofes von der Neuen Mitte. Die Beleuchtung ist dabei insektenfreundlich auszuführen.
    Die Brücke dient der Besucherlenkung und der Verbindung der, das Landschaftsschutzgebietes umschließenden, Wege.
  1. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt Infotafeln und Hinweisschilder auf den Wegen um die Aue aufzustellen, um den Menschen die sensiblen Bereiche der Natur näher zu bringen und Verständnis für den Schutz der Aue zu wecken.
  1. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt neben den im Konzept geplanten Hundewiesen in Windecken eine weitere in Heldenbergen einzurichten.
  1. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt, dass die Verwaltung mit der Einholung der notwendigen Fördermittel beauftragt wird. Insbesondere die Umsetzung der späteren kostenintensiven Teilprojekte sind unter den Vorbehalt einer späteren Fördermittelzusage zu stellen.“

Diese einzelnen 8 Punkte wurden mit unterschiedlichen Mehrheiten von der Stadtverordnetenversammlung angenommen. Über das Gesamtkonzept wurde jedoch NICHT abgestimmt. Das Abstimmungsverhalten ist in der öffentlichen Niederschrift oder hier nachzulesen.

 

Beim Lesen dieses Flyers sind uns ein paar Punkte aufgefallen:

 

Zur Titelseite:

Dargestellt sind 2 Bilder. Unter der Überschrift „Damit es so nicht bleibt“ eine Wiese mit einem Trampelpfad und unter der Überschrift „So soll es werden“ ein eingewachsener Flussabschnitt. Schöne Bilder, aber es ist wohl kaum zu erwarten, dass sich der Trampelpfad in einen Fluss verwandelt.

 

Zu „Das Konzept zur Auenberuhigung“:

  • Hier wird dargestellt, wie die Nidderaue durch Trampelpfade durchzogen wird. Als Ziel des Konzeptes zur Auenberuhigung wird erklärt, die Menschen sollen aus dem schützenswerten Bereich herausgeführt und auf die offiziellen Wege geleitet werden.

Seit dem transparent durch Hinweisschilder dargestellten Betretungsverbot für die Aue sind unserer Meinung nach kaum noch Spaziergänger in der Aue zu sehen. Die Trampelpfade wachsen, soweit es erkennbar ist, schon wieder zu. Mit der Zeit wird sich die Aue regenerieren.

  • Die als Nidder-Querung geplante Stahlbrücke „Natrix“ (3-4m breit, ca. 250m lang und in ca. 2m Höhe über der Aue) wird als „Fuß- und Radsteg“ benannt.

 

Die Verwendung des Begriffs „Steg“ halten wir für eine bewusste Irreführung der Bürger. Zu Zeiten der Errichtung des „Eiserner Steg Frankfurt“ hat man Brücken auch Steg genannt. Heutzutage definiert der Duden einen Steg als „kleine, schmale Brücke über einen Bach, einen Graben o. Ä. oder als Überführung dienende schmale Brücke für Fußgänger“.

 

Zu „Die zukünftige Wegeführung“:

  • Hier wird bestätigt, dass der ca. 250 Meter lange „Steg“, d.h. die Nidder-Querung auf 2m Höhe über dem Gebiet der Aue führen soll.

Aufgrund der regelmäßigen Überschwemmung der Aue ist diese Höhe nachvollziehbar. Aber es handelt sich nicht mehr um einen Steg.

  • Es wird behauptet, dass die geplante Asphaltierung vorhandener Wiesenwege keine Versiegelung der Fläche ist, „weil das Regenwasser seitlich ablaufen und versickern kann.“

 

Dies kann kaum ein ernstgemeintes Argument sein. Über dieses Argument würde sich jeder Planer einer neuen Straße, Autobahn oder Eisenbahntrasse freuen und Umweltschützer raufen sich die Haare. Eine Versiegelung der Fläche ist nicht nur unter dem Aspekt des Wasserablaufs zu betrachten. In dem Erdboden leben auch Kleinstlebewesen, die von der dauerhaften Versieglung betroffen wären.

 

Zu „Warum die Brücke bauen?":

  • Das Bild ist unterschrieben mit „So könnte der Steg aussehen“

 

Wir halten die Benennung als Steg für irreführend. Zudem ist hier ein Bild dargestellt, dass komplett von der bisher geplanten Stahlbrücke abweicht. Diese findet sich im Konzept zur Aufwertung und Beruhigung der Nidderaue ab Seite 35, insbesondere auf den Seiten 39 und 40. Bei einer geführten Radtour am 03.06.2023 hat Herr 1. Stadtrat Vogel von einer „filigranen Stahlbrücke“ geredet. Sowohl in dem Konzept, als auch noch deutlicher in dem Flyer von Bündnis 90/Die Grünen Nidderau werden links und rechts der Brücke dicht stehende Bäume dargestellt. Damit würde sich die Brücke sicher besser in die Aue eingliedern. Allerdings wurde im Rahmen von Diskussionen über das Konzept darauf hingewiesen, dass die Brücke nicht zu viele Brückenpfeiler haben dürfte, weil sonst Treibgut im Rahmen der Überschwemmung an den Pfeilern hängen bleiben würde. Wir nehmen an, dass an den dicht stehenden Baumstämmen neben der Brücke das Treibgut ebenfalls hängen bleiben würde. Damit ist die dargestellte „Eingliederung“ in die Landschaft unrealistisch.

  • Der Weg über die Brücke zum Heldenberger Bahnhof wird in der aktuellen Planung durch den Breulweg geführt. Dieser endet im oberen Teil an einer Treppe zur Bahnhofstraße. Wer barrierefrei unterwegs sein will, muss einen Umweg von ca. 100m bis zur Einmündung des Breulweges in die Bahnhofstraße in Kauf nehmen. Auf diesem Teil der Strecke hat der Breulweg keinen Bürgersteig. Die vermeintliche „Abkürzung“ rechts zur Bahnhofstraße würde über einen Privatweg führen. Es ist kaum anzunehmen, dass das der offizielle (Schul-)weg werden soll.

 

Zu „Die Aue soll erlebbar werden“:

Die Aue ist auch jetzt schon erlebbar. Dafür braucht es keine Nidder-Querung und keine zusätzlichen asphaltierten Wege.

 

Zu „Kommt mehr Verkehr in die Nidderaue“:

  • Wir erwarten wesentlich mehr Radfahrer und Fußgänger rund um die Aue und auch über die Aue, die nicht nur diese Wege passieren, sondern auch dort verweilen. Dadurch erwarten wir auch vermehrt Müll, der sich dort in dem Bereich ansammelt und wenn dieser nicht ordnungsgemäß entsorgt wird in der Aue landet.
  • Das Bild zeigt 4 Gassi-Gänger (unzureichend verpixelt) in der Aue. Unterschrieben ist es mit „So soll es nicht mehr sein, Menschen und Hunde sollen eine attraktive Alternative außerhalb des Landschaftsschutzgebietes erhalten.

 

Andere Städte haben gezeigt, dass die Einrichtung von Hundewiesen auch ohne die Errichtung einer Brücke möglich ist, daher ist die Verknüpfung dieser beiden Themen aus unserer Sicht unglücklich. Allein die inzwischen aufgestellten Hinweisschilder auf das Betretungsverbot zeigen unserer Meinung nach schon eine deutliche Wirkung: es gehen keine oder kaum noch Gassi-Gänger in die Aue und die Trampelpfade fangen an, sich zu regenerieren.

 

Zu „Warum Renaturierung mit Steg und Wegen?

  • Wir weisen nochmals daraufhin, dass es sich um eine Brücke und nicht um einen Steg handelt.
  • Die Notwendigkeit der Asphaltierung der Wege, der Hundewiesen und des Steges wird damit begründet, dass nur damit die Aue zur Ruhe kommt.

 

Aus unserer Sicht kommt die Aue gerade jetzt schon durch das transparent gemachte Betretungsverbot zur Ruhe. Die Trampelpfade erholen sich schon langsam. In der Aue läuft heute schon kaum noch jemand herum. Damit ist ein Teil des Konzeptes schon erreicht.

  • Uns wird unterstellt, dass sie die derzeitige Situation vollkommen ignorieren.

 

Dem widersprechen wir:

Wir sind für die Renaturierung der Aue und für die Aufstellung von Lern- und Hinweisschildern, durch die die Besucher der Aue auf den bereits vorhandenen Wegen auf die sensiblen Bereiche der Aue sowie auf ihre Bewohner aufmerksam gemacht werden. Allein durch die Online-Petition und das anschließende Bürgerbegehren und den jetzt anstehenden Bürgerentscheid ist die Aufmerksamkeit der Nidderauer auf das Kleinod mitten im Stadtbereich erheblich gesteigert worden. Erst durch die Diskussion über das Konzept wurde das Betretungsverbot, dass es laut Aussage der Stadt „schon immer gab“, von der Stadt mit entsprechenden Hinweisschildern transparent gemacht. Davor wurden die Fußgänger in der Aue Jahrzehnte lang von der Stadt geduldet.

 

Zu „Wird es teuer für die Stadt?":

  • „Die Maßnahmen des Konzeptes und der Renaturierung werden mit 70% bis 90% hoch bezuschusst“

In den bisher bekannten Kostenschätzungen zu dem Projekt sind Zuschusssätze von bis zu 70% bzw. bis zu 80% in Aussicht gestellt. Über die genaue Bezuschussung ist aber zum jetzigen Planungszeitpunkt noch nichts bekannt. Die bisher veröffentlichten Kostenschätzungen haben wir hier gegenübergestellt. Die Stadtverordnetenversammlung vom 01.06.2023 (dort: Tischvorlage) hat einen Kostendeckel für das Gesamtkonzept (d.h. nicht nur für die 8 am 01.12.2022 beschlossenen Punkte) in Höhe von 2,5 Millionen EUR festgelegt. Allerdings bleibt offen, was mit diesem Beschluss passiert, wenn sich während der Bauphase (z.B. bei halber Fertigstellung der Brücke) zeigt, dass der Kostendeckel nicht ausreicht. Wird der Beschluss dann aufgehoben oder wird dann eine angefangene Bauruine in der Aue stehen bleiben?

Aktuell steht die Brücke mit 3,6 Millionen EUR in der vorläufigen Kostenschätzung. Ob es dabei bleibt, wissen wir nicht. Jedoch wird sich ein Fördergeldgeber bei seiner Förderzusage auf den geplanten Kosten zum Zeitpunkt der Antragsstellung beziehen. Eine Anpassung an während der Bauzeit gestiegene Kostenentwicklungen findet i.d.R. nicht statt.

Unter der Überschrift „39.200 EUR pro Brückenmeter: Kinzigsteg kostet fast eine Million Euro“ berichtet der Hanauer Anzeiger online am 16.06.2023 über den Neubau und die damit verbundenen Kosten des Kinzigstegs in der Bulau. Diese Querung, die ebenfalls durch eine Aue geht, kann mit ihren 25m Länge vermutlich noch Steg genannt werden. Das jährliche Hochwasser ist dort vermutlich auch ein Thema. Wenn wir die Hanauer Baukosten pro Brückenmeter auf die geplante 250m lange Nidder-Querung hochrechnen, kommen wir auf geschätzte 9,8 Millionen EUR. Und für den Kinzigsteg müssen keine aufwendigen Brückenpfeiler metertief in die Aue getrieben werden. Diese Kosten kämen bei der Nidder-Querung noch obendrauf und sind auch aktuell nicht in den geschätzten 3,6 Millionen EUR enthalten. Das sollte uns allen zu denken geben.

Details sowie Bilder des aktuellen Standes finden sich hier (bitte Link auf "hier":