Zu der " Bürgerpost Sonderausgabe 2023 " der Stadt Nidderau

 

Die Stadt Nidderau hat kürzlich die Bürgerpost Sonderausgabe 2023[1] an alle Nidderauer Haushalte verteilen lassen, in dem sie ausschließlich über den Bürgerentscheid am 02.07.2023 und über die abzustimmenden Teilprojekte informiert. Die Teilprojekte wurden in der Stadtverordnetenversammlung vom 01.12.2022 (TOP 18) beschlossen. In der öffentliche Niederschrift zu der Sitzung findet sich TOP 18 auf den Seiten 16 bis 19. Die einzelnen Punkte des Beschlusses geben wir hier wieder:

 

Der Beschluss


Die Stadtverordnetenversammlung beschließt die Umsetzung des Konzeptes zur Aufwertung und Beruhigung der Nidderaue im Bereich des Flurbereinigungsverfahrens Nidderau UferrandstreifenVF 2531 mit den erforderlichen Investitionen. Die Abstimmung wird wie folgt unterteilt:

  1. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie gemäß dem Konzept einschließlich der Renaturierung der Altarme
  2. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt die Verbreiterung des vorhandenen Geh- und Radweges zwischen Mühlstraße und Alloheim.
  3. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt den Ausbau des Weges ab Alloheim über die Brücke bis zum asphaltierten Weg Richtung Bahnhofstraße mit hellem Asphalt (wie in Grünachse).
  4. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt den Ausbau der verbliebenen Wegabschnitte auf der Bahnhofseite nach Heldenbergen mit hellem Asphalt.
  5. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt zur Förderung des ÖPNV und der Nahmobilität den Bau einer Brücke über die Aue zur Erschließung des Bahnhofes von der Neuen Mitte. Die Beleuchtung ist dabei insektenfreundlich auszuführen.
    Die Brücke dient der Besucherlenkung und der Verbindung der, das Landschaftsschutzgebietes umschließenden, Wege.
  6. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt Infotafeln und Hinweisschilder auf den Wegen um die Aue aufzustellen, um den Menschen die sensiblen Bereiche der Natur näher zu bringen und Verständnis für den Schutz der Aue zu wecken.
  7. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt neben den im Konzept geplanten Hundewiesen in Windecken eine weitere in Heldenbergen einzurichten.
  8. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt, dass die Verwaltung mit der Einholung der notwendigen Fördermittel beauftragt wird. Insbesondere die Umsetzung der späteren kostenintensiven Teilprojekte sind unter den Vorbehalt einer späteren Fördermittelzusage zu stellen.“

 

Diese einzelnen Punkte wurden mit unterschiedlichen Mehrheiten von der Stadtverordnetenversammlung angenommen. Das Abstimmungsverhalten ist in der Niederschrift nachzulesen.

 

Beim Lesen dieser Sonderausgabe sind uns folgende Punkte aufgefallen

 

Seite 1:

  • In seinem Vorwort schreibt Herr Erster Stadtrat Vogel, dass es in dem Bürgerentscheid um das Konzept zur Beruhigung und Aufwertung der Nidderaue hinter dem Rathaus und am Vereinsgelände Windecken geht.

 

In dem Beschluss vom 01.12.2022 (TOP 18) wurde mit Bezug auf das „Konzept zur Beruhigung und Aufwertung der Nidderau“ explizit über 8 Teilprojekte abgestimmt. Diese 8 Punkte sowie die einzelnen Abstimmungsergebnisse sind in der öffentlichen Niederschrift nachzulesen. Es ist aus dem Protokoll an keiner Stelle zu erkennen, dass auch über das Gesamtkonzept abgestimmt wurde. Die Aufteilung der Abstimmung wurde in einem Änderungsantrag von SPD und Grünen in der Sitzung vorgeschlagen. Die Begründung des Antrages lautet:

„Die Änderungen sollen einen Teil der Anregungen aus der Bürgerversammlung und der Oppositionsparteien aufgreifen und deren Umsetzung verdeutlichen. In den Ausschusssitzungen und durch Veröffentlichungen wurde deutlich, dass die Parteien unterschiedliche Teile des Konzeptes unterstützen. Durch die Aufteilung in einzelne Abstimmungsteile wird es ermöglicht deutlich zu machen für welche Teile des Konzeptes die Stadtverordneten stehen.“

 

Wir begrüßen die Transparenz, mit der deutlich gemacht wird, „für welche Teile des Konzeptes die Stadtverordneten stehen“.  Gerade dadurch wird erkennbar, dass über den im Konzept sogenannten „südlichen Rundweg“ am Vereinsgelände Windecken gar nicht explizit abgestimmt wurde. Damit wurde auch nicht über eine vorgeschlagene Asphaltierung des Weges vom Blauhaus zu den Vereinsgebäuden abgestimmt. Diese ist somit nicht Gegenstand des Bürgerentscheides.

Ein Abstimmungspunkt betrifft auch indirekt den „südlichen Rundweg“, und zwar ist das Punkt 6 (Infotafeln und Hinweisschilder zur Sensibilisierung der Menschen für die Aue). Diese Schilder wurden auch für den „südlichen Rundweg“ vorgeschlagen, und werden von der Initiative ausdrücklich befürwortet.

 

Seite 2:

  • In seinem Vorwort schreibt Herr Bürgermeister Bär, dass die Brücke noch gar nicht beschlossen sei. Ein Teilprojekt, über das abgestimmt wurde lautet

 

„5. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt zur Förderung des ÖPNV und der Nahmobilität den Bau einer Brücke über die Aue zur Erschließung des Bahnhofes von der Neuen Mitte. Die Beleuchtung ist dabei insektenfreundlich auszuführen.“

 

Dieser Punkt wurde mit der Mehrheit der Koalition aus SPD und Grünen angenommen.

Alle am 01.12.2022 beschlossenen Punkte stehen unter einem Finanzierungsvorbehalt. Dieser Beschluss wurde immerhin fraktionsübergreifender Mehrheit gefasst.

„8. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt, dass die Verwaltung mit der Einholung der notwendigen Fördermittel beauftragt wird. Insbesondere die Umsetzung der späteren kostenintensiven Teilprojekte sind unter den Vorbehalt einer späteren Fördermittelzusage zu stellen.“

 

Die Stadt Nidderau rechnet in ihrer bisherigen Kommunikation fest damit, dass die Nidder-Querung mit bis zu 70% der Kosten gefördert werden wird. Wenn eine entsprechende Förderung erreicht wird, wird die Stadt Nidderau den unter 5. die Nidder-Querung bauen müssen, denn sie wurde unter TOP 18 (Abstimmungspunkt 5.) beschlossen.

  • Herr Bürgermeister Bär schreibt ebenfalls, dass bei der Annahme des Bürgerentscheides die „umweltpädagogischen Lehrpfade“ abgelehnt werden. Dies ist nicht der Fall. Der Bürgerentscheid befürwortet ausdrücklich die im Grobkonzept vorgeschlagenen und am 01.12.2022 unter TOP 18, 6. Beschlossenen Hinweisschilder. Sie begründet so: „Infotafeln und Hinweisschilder (Punkt 6) fördern die Sensibilisierung des Besuchers, die Aue zu schützen.“ Die restlichen Maßnahmen des Konzepts zu den umweltpädagogischen Rundwegen wurde in den 8 Punkten nicht beschlossen und ist somit auch nicht Gegenstand des Bürgerentscheids. Diese können zusätzlich nach erfolgtem Beschluss umgesetzt werden, unabhängig ob die Bürger bei Entscheid mit JA oder Nein stimmen.

 

Seite 4:

  • Auch hier widersprechen wir der Darstellung, dass die Abstimmung des Bürgerentscheides die Entwicklung am Vereinsgelände Windecken betrifft.

 

Seite 5:

  • Ein Hauptargument der Stadt Nidderau für das Konzept und insbesondere die Nidder-Querung ist die gewünschte Besucherlenkung, im speziellen soll verhindert werden, dass die sensiblen Auenbereiche betreten werden. In der Vergangenheit wurde die Aue auch als „Hundewiese“ von Gassi-Gängern genutzt. Von Seiten der Stadt wurde in der Bürgerversammlung am 19.10.2022 behauptet, dass es "schon immer" ein Betretungsverbot für die Herrenwiese (grob das Teilstück der Aue hinter dem Rathaus zwischen der Nidder, dem Alloheim und dem Weg entlang des Bahndammes) gegeben hat. Seitens der Initiative aber auch auf der Bürgerversammlung am 19.10.2022 wurde vorgeschlagen, dass die Stadt das Landschaftsschutzgebiet besser kennzeichnet und mit Hinweisschildern die Menschen für die Empfindlichkeit der Aue und ihrer Bewohner sensibilisiert. Inzwischen hat die Stadt laminierte Hinweisschilder unter den Schildern des Landschaftsschutzgebietes aufgehängt, in diesen steht:

 

     "Um dieses Gebiet zukünftig wieder mehr zu beruhigen und die wildlebende Natur mehr zu schützen, möchten wir mit diesen Schildern darauf                   

     aufmerksam machen, dass dies keine offizielle Wegeparzelle ist und somit nicht mehr betreten werden darf."

 

Seit diese Hinweisschilder am Rand der Aue hängen, sind aus unserer Sicht deutlich weniger Fußgänger in der Aue zu sehen. Viele, die dort früher                spazieren gegangen sind, wussten gar nichts von dem Betretungsverbot, sondern sahen die von der Stadt monierten Trampelpfade als offizielle Wege an. Dieses Verhalten wurde von der Stadt lange geduldet. Die nun erfolgte Aufklärung führte zu einer deutlichen Verhaltensänderung, so dass ein Teil der „Trampelpfade“ – soweit es von außen erkennbar ist – langsam wieder zuwachsen. Damit ist ein Teil der von der Stadt beabsichtigten Beruhigung schon erfolgt, ohne die Notwendigkeit einer zusätzlichen Nidder-Querung.

 

Seite 7:

  • Die Stadt Nidderau will den Weg zwischen dem Altenpflegeheim und Heldenbergen um ca. 0,5 – 1,0 Meter verbreitern.

Der Verbreiterung würden auch Bäume und Sträucher entlang des Weges, die jetzt Herberge für Tiere sind, zum Opfer fallen. Wir sind der Meinung, dass dieser Weg bereits breit genug ist, wenn alle Nutzer gegenseitig Rücksicht nehmen. Und das sollte im Straßenverkehr eine Selbstverständlichkeit sein. Für schnell fahrende Radfahrer gibt es bereits den Radstreifen/Radweg entlang der Konrad-Adenauer-Straße als Alternative.

 

Seite 9:

  • Mit der Nidder-Querung wird der Weg von der Bertha-von-Suttner-Schule zum Bahnhof auf 760 Meter verkürzt. Allerdings ist dies nur der Fall, wenn der Nutzer dann die kleine vorhandene Treppe vom Breulweg auf die Bahnhofstraße nutzen kann. Wer barrierefrei unterwegs sein will (Fahrradfahrer, Rollstuhlfahrer, Kinderwagen) muss einen Umweg von 100m über die Straßenmündung „Breulweg/Bahnhofstraße“ in Kauf nehmen. Auf diesem Teilabschnitt gibt es aktuell keinen Bürgersteig entlang des Breulweges und der Breulweg ist in einer Zone 30 (keine „Spielstraße“!) Die vermeintliche Abkürzung rechtsrum zur Bahnhofstraße führt über einen Privatweg. Es ist kaum anzunehmen, dass dort ohne weiteres der offizielle (Schul-)Weg entlanggeführt werden kann. Darüber hinaus ist der Weg von der Aue über den Breulweg dann wohl für Fußgänger bzw. Rollstuhlfahrer, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind, aufgrund der Steigung aus der Nidderaue über den Breulweg hoch zur Bahnhofstraße kaum zumutbar. Der Weg über die Bahnhofstraße mag länger sein. Aber dieser Weg ist größtenteils flach und die Steigung von der Ecke „Bahnhofstraße / Wingert“ zum Bahnhof ist auch für Rollstuhlfahrer zu bewältigen.

Es ist wohl eher anzunehmen, dass Nutzer von Rollatoren oder Rollstühlen den ÖPNV für den Weg zum Bahnhof nehmen werden. Dann bleibt jedoch das Problem des bis auf weiteres nicht barrierefreien Bahnhofes. Aber der fällt in die Zuständigkeit der Deutschen Bahn und wir begrüßen jede Bemühung seitens der Stadt, bei der Deutschen Bahn auf dieses Problem aufmerksam zu machen.

 

Seite 12:

  • Hier wird behauptet, dass mit einer Unterstützung des Bürgerentscheides gegen die Asphaltierung des Weges vom Blauhaus zum Vereinsgelände Windecken gestimmt wird. Wie oben in der Anmerkung zu Seite 1 dargestellt, lässt sich diese Aussage anhand der Niederschrift zum Beschluss der Stadtverordnetenversammlung nicht nachvollziehen.

 

Seite 13:

  • Die geplante Nidder-Querung (3m-4m breit, ca. 250m lang, 2m über der Aue) wiederholt als „Steg“ oder „stegartige Brücke“ zu bezeichnen ist irreführend.

Wikipedia definiert einen Steg als „eine relativ kleine und in der Regel nicht sehr hohe Brücke, die zumeist nur von Fußgängern und Radfahrern zum Überqueren von Gewässern oder Feuchtgebieten genutzt wird“.

Der Duden definiert Steg als „kleine, schmale Brücke über einen Bach, einen Graben o. Ä. oder als Überführung dienende schmale Brücke für Fußgänger“.

 

Seite 14:

  • Es wird behauptet, die Initiative wolle den „Hundepark-Charakter“ der Aue beibehalten. Sie hält jedoch eine Verknüpfung der Nidder-Querung mit dem Betretungsverbot des Landschaftsschutzgebietes nicht für sinnvoll. Wie sich jetzt schon zeigt, lässt sich das Betretungsverbot einfacher, schneller (und günstiger) durch eine bessere Aufklärung mit Hinweisschildern umsetzen.

Die Initiative ist auch nicht gegen die Einrichtung von Hundewiesen im Stadtgebiet. Allerdings sollten diese Wiesen ganzjährig benutzbar sein. Sinnvollerweise würde man die Hundebesitzer in die Planung einbeziehen, damit die dann einzurichtenden Hundewiesen auch akzeptiert und genutzt werden.

 

Seite 15:

  • Hier wird geschrieben, dass die Nidder-Querung mit mindestens 70% der Kosten gefördert werden könnte. In der ursprünglichen Kostenschätzung vom 01.12.2022 steht „bis zu 70%“, d.h. die Förderung könnte auch niedriger als 70% sein. Nach unserem Verständnis gibt es aber noch gar keine festgelegten Prozentsätze. Anderenfalls wäre der Finanzierungsvorbehalt aus dem Beschluss vom 01.12.2022, TOP 18, Nr. 8 nicht notwendig.
  • „Zudem sind Kommunen Auftraggeber für viele Firmen und sichern so auch in schwierigen Zeiten, in denen private Investoren bei Investitionen sich zurückhalten, den Erhalt von Arbeitsplätzen. EU, Bundes- und Landesregierung unterstützen diese Investitionen mit Fördermitteln und helfen so, die Wirtschaft auch in schwierigen Zeiten am Laufen zu halten.“

 

Es gibt sicher auch andere Maßnahmen in die die Stad Nidderau als Auftraggeber investieren könnte, und damit den Erhalt von Arbeitsplätzen unterstützen könnte.

 

Seite 16:

  • In der Argumentation, warum der bestehende Weg am Hain nicht ausreicht, wird erwähnt, dass die dort vorhandene Nidderbrücke für Rollatoren und Kinderwagen aufgrund der Brückenbreite nur schwer passierbar sei.

Die Breite der Brücke selbst ist kein Problem. Allerdings könnten es die vorhandenen „Poller“ am Anfang und am Ende der Brücke sein. Das Entfernen dieser Poller ist unabhängig von dem Bürgerentscheid möglich.

  • Bezüglich des Winterdienstes, auf den neu zu schaffenden Wegen und der Nidder-Querung wird geschrieben, dass im Sinne des Gewässerschutzes auf Salz verzichtet werden sollte. Für den Fall, dass es zur Umsetzung der Nidder-Querung kommen sollte, müsste aus Sicht der Initiative auf Salz in jedem Fall verzichtet werden. Es müsste jetzt schon transparent gemacht werden, dass die Brücke und auch die ausgebauten Wege dann aufgrund des eingeschränkten Winterdienstes nicht ganzjährig benutzbar sein werden.

 

Seite 19:

Hier werden die Kosten der Nidder-Querung noch mit 1,8 bis 2,5 Millionen EUR angegeben. So standen sie auch in der Kostenschätzung, die in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vom 01.12.2022 vorgelegt wurde. In der Sitzung vom 20.04.2023 wurde eine (nicht nur aus Sicht der Initiative unvollständige) nachgebesserte Kostenschätzung vorgelegt. In dieser ist die Brücke bereits mit 3.6 Millionen EUR angesetzt. Es sind nur Schätzdaten, aber im Sinne der Transparenz sollten die jeweils aktuell vorliegenden Daten angegeben werden. Unsere Darstellung, warum wir die Kostenschätzung vom 20.04.2023 für unvollständig halten, inklusive einer Gegenüberstellung der beiden veröffentlichten Kostenschätzungen findet sich hier.

 

 

 

[1] Auf der neu eingerichteten Internetseite der Stadt Nidderau zur Bürgerbeteiligung findet sich die Bürgerpost Sonderausgabe 2023 im Projekt „Konzept zur Aufwertung und Beruhigung der Nidderau“ und dort unter „Lesen Sie mehr“.